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Manchen galt John Cage als Anreger, als Erfinder, als Philosoph, andere hielten ihn lediglich für einen Spinner, einen Clown. Was sollte man auch von einem Komponisten halten, der Münzen- und Würfelspiele für taugliche Kompositionsverfahren hielt, der einmal zwölf Radiowecker nach einem festgelegten Plan spielen ließ, in dessen berühmtestem Werk, dem Opus 4'3'' von 1952, ein im Frack gewandeter Pianist am Instrument zwar sitzt, aber keine einzige Note, keinen einzigen Klang von sich gibt?
Einer, der John Cage für einen bedeutenden Komponisten und Anreger hält, ist ausgerechnet ein Experte für alte Musik: Paul Hillier. Die Aufnahme mit seinem amerikanischen Ensemble für Theatre of Voices versteht er als Hommage an den 1992 verstorbenen Komponisten, dem er auch persönlich begegnete. Sie enthält eine Reihe von Vokalwerken, die Cage zwischen 1947 bis 1988 komponierte. Unter ihnen die "Litany For The Whale" von 1980, ein fast halbstündiger Dialog zwischen zwei gleichen Stimmen.
Der seinerzeit mit dem englischen Hilliard Ensemble entwickelte Sinn für Transparenz und Struktur im Renaissancerepertoire kommt Paul Hillier bei der Interpretation dieser schwierigen Musik sehr zugute. Die Interpreten sind hier nicht nur stimmlich, sondern auch sprachlich gefordert. Etwa in der ausgedehnten Arie "Solo for Voice 52", ein Stück, in dem Vokale und Konsonanten aus fünf Sprachen (Armenisch, Russisch, Italienisch, Französisch und Englisch) quasi den Text bilden. Oder in der "Arie", die Cage 1958 der herausragenden und berühmten Sängerin Cathy Berberian widmete. Und er wusste warum, denn zehn Vokalstile gilt es hier zu beherrschen, zudem finden die oben genannten Sprachen Verwendung. Die CD stellt eine wirkliche Herausforderung für die Interpreten dar, doch nicht nur für diese. Ebenso für das Ohr des Zuhörers.