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Wie verzweifelt muss eine Mutter sein, um sich neben den eigenen Kindern mit Benzin zu übergießen und mit dem Anzünden zu drohen, sollte ihrem Mann (Goran Bogdan) nicht endlich sein Gehalt ausgezahlt werden? Seit zwei Jahren werde dem Gelegenheitsarbeiter Nikola bereits der Lohn vorenthalten. Ihre Kinder hätten Hunger. Ein anderer Job sei nicht in Sicht.
Der drastische Protest in der tiefsten Provinz Serbiens geht glücklicherweise schief. Aber er bringt die verletzte Mutter ins Krankenhaus und ruft das Jugendamt auf den Plan. Die beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, werden bei Pflegeeltern untergebracht, der Vater wird zur Anhörung geladen. Nikola soll sein bruchreifes Haus in Stand setzen, Wasser und Strom anschließen und zeigen, dass er Verantwortung übernehmen kann, dann würde man weitersehen...
Nikola erfüllt alle Anforderungen, doch der Leiter der örtlichen Verwaltung, so erfährt es Nikola von einem mitfühlenden Wachmann, ist korrupt. Gegen einen dicken Teil des staatlichen Pflegegelds vermittelt er Kinder an Familien seines Heimatdorfs. Nikola hat keine Chance. Und so beschließt der Hüne nach Belgrad zu reisen, um sich dort beim zuständigen Minister zu beschweren ¿ 300 Kilometer, zu Fuß, durch ein tief gespaltenes Land zwischen Arm und Reich, zwischen Transformation und Umbruch.
Trotz seines dramatischen Einstiegs, entpuppt sich ¿Vater¿ als unvergleichlich bewegende, von leisem Humor geprägte Geschichte über die unbegrenzte Kraft der Vaterliebe und das bodenlose Desaster eines politisch heruntergewirtschafteten Serbiens. Ein Mann, dem fast alles genommen wurde, befreit sich aus der auferlegten Stigmatisierung und wird aktiv.
Nikola hat nicht viel, aber er hat seinen Körper und seine Entschlossenheit, die er für seine Ziele einsetzt. Korruption, Chancenlosigkeit und Machtmissbrauch begegnen dem Helden der Geschichte an jeder Ecke, aber auch Hilfsbereitschaft und stille Bewunderung, wenn er knapp erklärt, dass ihm der Staat die Kinder nahm. Nikolas ruhiger, gewaltloser, aber unerbittlicher Protest zieht seine Kreise und erreicht die Herzen seiner Mitmenschen ¿ und die der Zuschauer*innen.
Regisseur Srdan Golubovi¿, schon zweimal nominiert für den Auslands-"Oscar", erzählt nach einer wahren Begebenheit vom zivilen Widerstand gegen das Unrecht und für das Recht auf die geliebten Kinder - auch wenn sie in Armut groß werden. So ergreifend ist ihm das gelungen, ohne Musik, aber voller erzählerischer Kraft und Vielschichtigkeit, dass sein Film in der Panorama-Sektion der Berlinale den Publikums(haupt)preis wie auch den Preis der Ökumenischen Jury erringen konnte. Seinem großartigen, intensiv schweigsamen Hauptdarsteller Goran Bogdan brachte der Film eine Nominierung für den Europäischen Filmpreis ein.
Was für eine Wut muss in diesem Vater stecken - und was für eine Wucht in diesem Film!
¿Golubovi¿ gelingt ein in jeder Hinsicht vielschichtiger Film: eine empathische Studie über eine Gesellschaft der Abgehängten, die unter den Folgen eines korrupten Systems und postsozialistischer Willkür leiden; ein düstererer Roadtrip, der mit jedem Schritt des Helden ein Land zwischen wunderschöner Natur und betonierter Verwahrlosung kartografiert. Und vor allem ein Film über einen liebenden Vater, der mit stillem Protest um seine Kinder kämpft.
Schauspieler Goran Bogdan braucht keine Worte, keine emotionalen Ausbrüche, ja nicht einmal eine extrovertierte mimische Gesichtsakrobatik, um uns verstehen zu lassen. Wir können lesen, von der Wut, der Verzweiflung und der Entschlossenheit in seinem kantigen, blassen Gesicht und der sperrigen, bestimmten Physis. Was der kroatische Schauspieler [...] auf die Leinwand zaubert, ist große Kunst. [¿]
So düster der Blick Golubovi¿s auf sein Heimatland wirken mag, so viel Liebe steckt auch darin. »Otac« ist ein zutiefst humanistischer Film über einen Helden, der allen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder auch die Nächstenliebe seiner Mitmenschen erfährt. Sein leise bebender Körper und die Tränen, als ihm Essen geschenkt wird, der einzige Moment emotionalen Loslassens, brennt sich auf die Netzhaut. Falsche Versprechen macht »Otac« dennoch nicht.¿ (Jens Balkenborg, auf: epd-film.de)