Eine neue Aufnahme von Alice Coltrane ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zum einen wird hier - zumal da die Saxofon spielenden Söhne Ravi und Oran beteiligt sind - der Geist und fast zwangsläufig auch die Musik des großen John Coltrane heraufbeschworen; und das zu einer Zeit, da der Bezug auf diesen Großmeister der 60er selten mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Zum anderen ist da natürlich Alice selbst, die sich nach 26-jähriger Unterbrechung ihrer Laufbahn erneut als eigenständige Keyboardstilistin beweist. Da ist sicher vieles, mit dem man Geschmacksprobleme bekommen kann: die simplen, gelegentlich an Alleinunterhalter erinnernden Klänge von Orgel und Synthesizer, die oft schematisierten Klavierläufe, der gelegentlich penetrante Bezug auf fernöstliche Musik und Mystik. Was aber anderswo scheußlich mundet, wird bei ihr zum Stil, was man anderen übel nimmt, vertritt sie so konsequent, lebt sie so nachdrücklich, dass jedem klar wird: Dies ist der wahre Klang von Alice Coltrane. In der Summe bilden diese üblen Essenzen also einen so eigenständigen und faszinierenden Gesamtklang, wie er heute selten geworden ist.

Dazu kommen die oft inspirierten Beiträge der Mitspieler. Bleiben Ravi und Oran eher bescheiden unauffällig, so begeistern vor allem die Rhythmusgruppen: eine jüngere mit Jeff Watts (Drums) und dem bestechenden James Genus (Bass) und eine reife mit den Altstars Jack DeJohnette und Charlie Haden, dem Bassisten, dessen Stil wohl am besten zu Alice passt. Alice Coltranes Musik atmet einen lebendigen Geist, der durch keine Schulen gelehrt werden kann, sie bildet eine so überzeugende eigene Welt, dass man sich bald kaum in einer anderen aufhalten möchte.